Schule

„Du bist echt eine Meisterin der punktgenauen Verspätung“, sagte Sam Lee mit einem breiten Grinsen, während sie einen ihrer bunten Schnürsenkel neu band. Jenny hob die Augenbrauen und lächelte leicht. „Was soll ich sagen? Mein Timing ist fast so gut wie deine Moves.“

Sam lachte und klopfte Jenny auf die Schulter. Die beiden schritten gemeinsam durch das Tor, vorbei an den Gruppen von Schülern, die in Grüppchen plauderten oder ihre Bücher in die Schließfächer stopften. Der Geruch von frisch gemähtem Gras vermischte sich mit der leicht muffigen Luft des Schulgebäudes, die durch die alten Heizkörper und die überbeanspruchte Lüftung verursacht wurde.

Die erste Stunde des Tages war Physik – ein Fach, das Jenny mochte, auch wenn die Lehrerin, Mrs. Reed, dazu neigte, stundenlang an der Tafel zu stehen und Formeln herunterzubeten, als wären sie magische Beschwörungen. Heute jedoch kam Mrs. Reed mit einem Stapel alter Projektoren ins Klassenzimmer.

„Heute gibt es ein kleines Experiment“, verkündete sie, während sie die Geräte auf dem Lehrerpult aufbaute. „Wir werden mit Lichtbrechung arbeiten. Ich brauche Freiwillige, um die Geräte in Gang zu bringen.“

Bevor jemand anderes reagieren konnte, meldete sich Jenny. „Ich kann helfen.“

Mrs. Reed nickte. „Gut, Miss Morgan, zeigen Sie uns, was Sie können.“

Jenny ging nach vorne und inspizierte die Projektoren. Einer war defekt, die Linsen waren schief und ein Kabel hing lose heraus. Die anderen schienen verstaubt, aber funktionstüchtig. Jenny kramte in ihrer Jackentasche nach einem kleinen Schraubendreher und begann, den kaputten Projektor zu reparieren.

Während die Klasse tuschelte und einige Augen verdrehten, flüsterte Sam von ihrem Platz: „Das ist ihre Bühne, Leute. Wartet ab.“

Innerhalb von Minuten hatte Jenny den Projektor wieder funktionstüchtig gemacht. Als sie ihn einschaltete, projizierte er ein klares Lichtmuster an die Wand. „Fertig“, sagte sie, ohne den Hauch von Stolz in ihrer Stimme, doch ihr kleines Lächeln verriet alles.

Nach dem Vormittagsunterricht machten sich Jenny und Sam auf den Weg zum Technikraum – Jennys heiliger Zufluchtsort. Die anderen Schüler strömten in die Cafeteria, doch für Jenny war das Summen von Maschinen und der Geruch von Metall die wahre Erholung.

„Du hast wieder mal alle abgehängt“, sagte Sam, während sie sich auf einen alten Drehstuhl fallen ließ und eine Tüte Chips aus ihrem Rucksack zog.

„Es war nur ein Projektor“, entgegnete Jenny, während sie ihr Notizbuch auspackte und anfing, eine neue Idee zu skizzieren.

„Ja, aber du hast ihn in fünf Minuten repariert. Die meisten von uns würden ihn wahrscheinlich eher anzünden, um ihn loszuwerden.“

Jenny lachte leise. „Das wäre Verschwendung. Alles kann nützlich sein, wenn man weiß, wie man es angeht.“

Sam kaute nachdenklich auf einem Chip herum und sah Jenny dabei zu, wie sie konzentriert Linien und Kreise aufs Papier brachte. „Was arbeitest du diesmal aus?“

„Ein tragbarer Generator“, antwortete Jenny ohne aufzusehen. „Ich habe darüber nachgedacht, wie man mit minimalen Ressourcen maximale Energie erzeugen kann. Vielleicht aus alten Fahrradteilen und einem kleinen Dynamo.“

Sam schüttelte den Kopf und grinste. „Du bist wirklich wie ein wandelnder MacGyver.“

Als die Schule endete, trennten sich Jenny und Sam am Ausgang. Jenny machte sich auf den Heimweg, doch ein seltsames Gefühl ließ sie nicht los. Schon den ganzen Tag über hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Es war nichts Offensichtliches – keine Gestalt in einem schwarzen Mantel oder ein seltsames Auto, das ihr folgte. Es war subtiler, wie ein leises Summen im Hintergrund, das sie nicht abschütteln konnte.

Auf halbem Weg nach Hause beschloss sie, einen Umweg über den alten Schuppen zu machen, wo sie ihre ersten Reparaturen durchgeführt hatte. Sie hoffte, dass ein paar ruhige Minuten in ihrem „Labor“ ihre Gedanken klären würden. Doch als sie die Tür des Schuppens öffnete, fand sie etwas, das nicht dorthin gehörte: eine kleine Metallkiste, die mitten auf ihrem improvisierten Arbeitstisch stand.

Die Kiste war alt, verkratzt, aber sorgfältig verschlossen. Auf dem Deckel prangte ein Symbol – ein Kreis mit Linien, die wie eine Art Diagramm oder Schaltplan aussahen. Jennys Herz schlug schneller.

„Das war vorher nicht hier“, murmelte sie und zog vorsichtig einen kleinen Schraubendreher aus ihrer Tasche. Sie wusste nicht, was sie erwarten würde, als sie das Schloss öffnete, doch eins war klar: Ihr Gefühl, dass etwas Ungewöhnliches im Gange war, hatte sie nicht getäuscht.

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